Archiv 2008 << zurück
Im Notfall funktioniert man
Wer Wiederbelebungsmaßnahmen sicher beherrscht, kann Leben retten.
Die Ostsee-Zeitung war bei einem Erste-Hilfe-Kurs für Betriebshelfer mit dabei. Ein Auto im Straßengraben,
aus der Motorhaube qualmt es, und kein Mensch ist weit und breit zu sehen. Die Angst davor, als Erster an einen
Unfallort zu kommen, kennt fast jeder. Detlef Bischoff ist es passiert. Ein Fahrzeug, das ihn kurz zuvor überholt
hatte, war gegen einen Baum geknallt. Der Putbusser zögerte nicht, auszusteigen und zu helfen. "Der Fahrer war tot,
der Beifahrer eingeklemmt. Ich habe den Notruf verständigt und den Mann beruhigt. Mehr konnte ich nicht tun."
Auch Michael Köpke kam zu einem Unfall dazu. "Das Auto am Baum. Der Fahrer stand mit einem Schock am Autowrack gelehnt.
Da haben eine Menge anderer Autos herumgestanden, aber ich war der Einzige, der ausgestiegen ist. Offenbar hatten die
Leute Angst, dass noch jemand drin sitzt, der schwer verletzt ist", vermutet der 30-Jährige.
Doch es ist nicht nur die Angst vor dem Anblick, der sich einem am Unfallort bietet, sondern auch die Zweifel daran,
die stabile Seitenlage zu beherrschen und etwas falsch zu machen. "Wenn es drauf ankommt, funktioniert man", versichert
Rettungsassistent Thomas Seelig, der auch Ersthelfer ausbildet. Die können nicht zur Verantwortung gezogen werden,
solange sie nicht grob fahrlässig handeln oder die Hilfeleistung unterlassen.
Damit sie in jedem Notfall richtig handeln, absolvieren Detlef Bischoff und Michael Köpke einen Erste-Hilfe-Kurs beim DRK. Ein Schwindel erregendes Polizeivideo zeigt Fahrzeuge, die vor uneinsichtigen Kurven überholen, bei 70 mit 170 Kilometer pro Stunde fahren, um Bäume gewickelte Autos und Särge, die in den Leichenwagen geschoben werden. "Wir machen es den jungen Leuten viel zu einfach", meint ein Teilnehmer nach dem Film aufgebracht und schlägt vor, dass Jugendliche mit einem Alter bis zu 21 Jahren nicht mehr als 45 PS fahren sollten. Dabei sind es nicht mehr nur die Jugendlichen, betont Thomas Seelig.
Der 26-Jährige arbeitet seit sieben Jahren als Rettungsassistent. Seit fünf Jahren bildet er Ersthelfer aus. Und stellt immer wieder fest, "dass es vor allem an der Bereitschaft zu helfen mangelt. Das merkt man oft schon im Kurs. Vor allem die Führerscheinbewerber haben null Bock. Die machen den Erste-Hilfe-Kurs, weil sie müssen." Dabei gestaltet Thomas Seelig die Ausbildung alles andere als langweilig. Zu fast jeder Art von Verletzung hat er einen Spruch auf den Lippen, der für Gelächter sorgt. Sei es bei Herzinfarkt, Knochenbrüchen oder Verkehrunfällen. Nächstes Kapitel: "Jemand hat Bauchschmerzen. Woran denkt ihr zuerst? Schwanger lässt sich bei Männern ja schon mal ausschließen", schlägt Thomas Seelig vor. Eine Blinddarmentzündung kann man durch Fiebermessen feststellen. Ansonsten werde es schwierig.
"Der Bauch ist wie ein großes Fragezeichen", erklärt er. "Das kann auf Vieles hinweisen. Auch auf einen Herzinfarkt, wenn Druck in der Brust dazukommt. Bei dem zweitägigen Erste-Hilfe-Kurs werden vor allem so genannte Betriebshelfer ausgebildet. In jedem Unternehmen ab zwei Personen müsse mindestens einer den Schein haben, der nach der Erstausbildung alle zwei Jahre wiederholt werden muss, erklärt Thomas Seelig. Damit entsprechend reagiert werden kann, wenn der Bankangestellte einen Herzinfarkt erleidet, der Bäcker in der Backstube ausrutscht und sich den Knöchel bricht oder ein Metallsplitter sich ins Auge verirrt. Unter den 16 Teilnehmern sind ein Seemann, ein Zimmerer, aber auch Büromitarbeiter und Führerscheinneulinge vertreten.
Der
Betriebshelferkurs dauert insgesamt acht Doppelstunden und muss alle zwei Jahre wiederholt werden. Auch dem normalen
Führerscheinbesitzer wird die Auffrischung alle zwei Jahre empfohlen. Doch Pflicht ist das bisher nicht.
"Da sollte man das Gesetz mal verschärfen", findet Detlef Bischoff und erntet zustimmendes Nicken der anderen
Kursteilnehmer."Ich denke, die Masse macht nichts, wenn es drauf ankommt. Aber wenn man selbst in einer solchen
Situation ist, erwartet man ja auch Hilfe."
Erste-Hilfe-Maßnahmen: Die ABC-Regel A = Atemwege freimachen und freihalten: wenn die Person atmet, ist sie in die
stabile Seitenlage zu bringen, wenn sie nicht atmet, muss sie auf den Rücken gelegt werden (flacher, harter Untergrund).
B = Beatmung Mund zu Mund oder Mund zu Nase. Wenn Pulsschlag vorhanden (tastbar am besten an der Halsschlagader
seitlich am Hals) nur Beatmung, sonst:
C = Circulation wiederherstellen mit Herz-Druckmassage: Dazu die Hände übereinander legen und die Finger verschränken.
Der Handballen der unteren Hand setzt auf einen Punkt zirca zwei Finger breit oberhalb des unteren Brustbein-Endes auf.
Die Massage erfolgt durch vier bis fünf Zentimeter tiefes Eindrücken des Brustkorbes mit einer Häufigkeit von 80 - 100
Kompressionen pro Minute. Wichtig ist, die Arme bei diesem Vorgang durchzudrücken, um ausreichend Kraft aufbringen zu können.
Nach jeweils 15 Massagen sollten zwei Atemstöße Mund zu Mund oder Mund zu Nase folgen. Danach den Vorgang wiederholen.
ANNETT HABERMANN
|
| Bild: DRK |