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Ostsee-Zeitung, 13.02.2010„Es ist einfach schön zu klönen“
Soziale Begleitung und praktische Lebenshilfe – das sind die Aufgaben von ehrenamtlichen Seniorenbegleitern. Christine Seegers ist eine von ihnen.
Bergen. „Mit sieben Jahren bin ich zur Blindenschule nach Stettin gekommen. Dann war ich nur noch in den Ferien zu Hause in Schaprode. Jedes Mal, wenn es ab Stralsund los ging, war das Geheule bei mir groß“, erinnert sich Elisabeth Micheels an ihre Kindheit, während sie mit einem Löffel den Kaffee umrührt. Die heute 77-Jährige wurde blind geboren. Christine Seegers (68) sitzt neben ihr am Kaffeetisch und schüttelt den Kopf. „Grausam“, kommentiert sie die Geschichte, die sie schon viele Male gehört hat.
Die beiden Frauen kennen sich seit vielen Jahren und über die Erinnerungen aus alten Zeiten plaudern sie gerne. Meist natürlich über die schönen Erfahrungen. Dann erzählt die Rüganerin davon, wie sie in ihrer Kindheit mit den beiden Geschwistern auf dem Milchwagen mitgefahren ist, wie sie die praktische Prüfung bei der Lehre mit sehr gut bestanden hat. Elisabeth Micheels lebt im DRK-Pflegeheim in Bergen Rotensee und bekommt einmal pro Woche Besuch von Christine Seegers. Die Vorsitzende der Ortsgruppe Bergen des Deutschen Roten Kreuzes hat den Besuchsdienst vor gut acht Jahren aufgebaut. Mittlerweile sind elf Ehrenamtliche in Bergen unterwegs. Auch in Gingst, Dreschvitz und Sagard gibt es bereits sogenannte Seniorenbegleiter. In einem Kurs, der im März stattfindet, sollen weitere ausgebildet werden.
„Wir haben uns auf die Fahnen geschrieben, in die Nachbarschaft zu gehen. Es gibt viele alte Menschen, die alleine wohnen. Wir wollen ihnen helfen, ihre Selbstständigkeit zu erhalten“, sagt Christine Seegers, die aber nicht nur zum Einkaufen zu den Senioren geht, sondern auch zum Klönen und Spazieren gehen. Sie freut sich sehr, dass Elisabeth Micheels lebensfroh ist, gerne klönt und viele Bekanntschaften im Seniorenheim und außerhalb hat. „Ich bin im Haus bekannt wie ein bunter Hund, leite jeden Mittwoch den Clubnachmittag, bei dem wir zusammen singen. Ich muss immer anstimmen“, erzählt Elisabeth Micheels, die kaum noch Familie hat. Nur ihre Cousine lebt in Bergen. Die Freundschaft zu Christine Seegers bedeutet ihr viel. Besonders gerne erinnert sie sich an das Luciafest vor einem Jahr, zu dem Seegers sie mitgenommen hat. „Es wurde getanzt und gesungen und Frau Seegers hat mir erklärt, wie sich alle bewegen, was sie machen und wo sie sich befinden. Ich kann ja keine Farben sehen. Das war unheimlich schön“, erinnert sich ElisabethMicheels und lächelt.
Neben ihr sitzt Christine Seegers und bestickt Handtücher mit einem Namenszug. „Um 15.30 Uhr ist Spielenachmittag im Pflegeheim. Da spiele ich Mensch ärgere dich nicht mit den Frauen“, sagt Seegers. „Damit wir mehr Zeit zum Klönen haben, wasche ich die Teller später selbst ab“, sagt Elisabeth Micheels, die jede Minute gemeinsame Zeit genießt. Christine Seegers kommt jeden Donnerstag vorbei. Dann besucht sie gleich mehrere Senioren.
Von KATHARINA DEGRASSI

Kaffee trinken, Klönen und gemeinsam lachen: Christine Seegers besucht einmal pro Woche Elisabeth Micheels im DRK-Pflegeheim Rotensee. Die Vorsitzende der DRK-Ortsgruppe Bergen ist ehrenamtlich für Senioren da.
Foto: KAT