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Ostsee-Zeitung, 28.09.2010
Eine gute Zeit für 130 Behinderte
Sie kommen von der Insel, sogar vom Festland – was sie eint: Sie alle haben
ein Handycap. Der Kreisverband des Roten Kreuzes engagiert sich für sie,
hat eine Diskothek für Behinderte initiiert. Die Resonanz ist überwältigend:
Zur dritten Auflage dieser Veranstaltung kamen 130 Leute nach Bergen.

Petra und Roland (re.) kennen sich seit gut 20 Jahren. Im „My Life“ freuten sie über
den Auftritt der Line-Dancer. Foto:H. V.
Bergen (OZ) - Roland (50) ist ein wenig aufgeregt. Er hat sich chic gemacht für diesen Abend und sein kariertes Hemd angezogen. Unruhig geht er auf und ab. Roland wartet am City-Center vor der Bar "My Life" auf seine Petra (41). Sie kommt aus Stralsund und müsste schon längst da sein. Gleich beginnt die Disko. "Wir kennen uns schon über 20 Jahre", sagt er. Alle zwei Wochen besucht er Petra und ist stolz darauf, dass er mit Bahn und Bus ganz allein den Weg nach Viermorgen findet. Roland ist behindert, mit Kinderlähmung zur Welt gekommen. Petra sitzt seit einem Schlaganfall im Rollstuhl. "Ich würde meinen letzten Euro für sie geben", sagt Roland und hat heute wieder ein kleines Geschenk für seine Freundin dabei.
Auch die Weihnachtsüberraschung hat er schon besorgt. Aber was es ist, will er noch nicht verraten. Nur so viel: Es hat etwas mit "Gute Zeiten, schlechte Zeiten" zu tun.
Heute ist eine gute Zeit. Etwa 130 Behinderte freuen sich an diesem Abend auf die Disko. Sie kommen aus Bergen, aus Stralsund und Lüdershagen. Es ist die dritte Veranstaltung dieser Art. Für Daniel Labahn, den neuen Inhaber des "My Life", eine "Feuertaufe", die erste große Party unter seiner Regie. "Ich finde es gut, dass das DRK solch eine Veranstaltung organisiert. Ich weiß, dass Behinderte nicht überall gern gesehen sind. Bei uns schon. Wir sind offen für alle Gäste. Und da wir wissen, dass sie nur wenig Geld haben, kosten die Getränke heute auch nur einen Euro."
Inzwischen ist der Kleinbus aus Stralsund angekommen und Roland ein Stein vom Herzen gefallen. Seine Petra ist da! Eine scheue Umarmung. Dann schiebt er sie in den Saal, wo sie von Freunden begrüßt wird. Die Diskobesucher kennen sich seit Jahren. Manche waren schon zusammen im Kinderheim, in Pflegeeinrichtungen oder im Krankenhaus West. "Petra habe ich damals im Schloss Ralswiek kennen gelernt", sagt Roland. Er bedauert, dass sie nicht täglich zusammen sein können. Wegen des großen Pflegeaufwands habe Petra nach Stralsund umziehen müssen. Die Party im "My Life" kann beginnen. Schon beim ersten Titel ist die Tanzfläche voll, die Stimmung auch ganz ohne Alkohol ausgelassen. Die Idee, eine Disko für Behinderte zu veranstalten, hatten Anne Fedrowitz und Madlen Wiese. Sie arbeiten als Betreuerinnen im geschützten Wohnheim des DRK- Kreisverbandes Rügen und wollen etwas tun gegen die Ausgrenzung ihrer Schützlinge. Sie hatten gehofft, dass auch Nichtbehinderte mitfeiern. "Aber da gibt es wohl doch noch zu große Berührungsängste. Schade", bedauert Madlen, die aber ihre Line-Dancer, die "Island Eagles" aus Bergen, als überraschungsgäste mitgebracht hat. Sie werden reichlich mit Applaus belohnt. Dann spielt der "Holiday Party Express" live für die Diskobesucher auf, auch die Hits "Das rote Pferd", "Cowboy und Indianer" und leisere Töne.
Zeit für einen Flirt, für eine neue Bekanntschaft, für Nähe. In einer ruhigen Minute wird Roland seine Petra trösten und ihr versprechen, dass er sie natürlich bald wieder besuchen wird. "So ist das Leben."
Und er wird ihr auch das kleine Geschenk überreichen, eine zarte Kette.
HOLGER VONBERG
DRK-Imagekampagne: "Aus Liebe zum Menschen"
Bergen (OZ) - Das DRK startet im September eine neue Imagekampagne. Mit dem Slogan "Aus Liebe zum Menschen" wird es für seine weltweite, nationale und auch regionale Arbeit, für seine Hilfs- und Dienstleistungen sowie Angebote werben. "Aus Liebe zum Menschen" ist die Antwort auf alle Warum-Fragen rund um das DRK. "Dieser neue Slogan steht dafür, dass wir jedem Menschen helfen ohne zu zögern, ohne zu hinterfragen und auch in Situationen da sind, in denen sich so mancher überlegt, warum er das überhaupt tun sollte", so Burkhard Päschke, Pressesprecher des Rügener Kreisverbandes.
In einem Video (www.DRK.de) und auch auf großen Plakaten werden all die Fragen gestellt, auf die das DRK tagtäglich mit "Aus Liebe zum Menschen" antwortet: "Warum jemandem zuhören, der immer dasselbe erzählt?" Das bezieht sich auf die Arbeit mit Demenzkranken, das nächste Bild auf den Einsatz des DRK in Kriegs- und Notstandsgebieten: "Warum hingehen, wo andere weglaufen?" Und: "Warum Mitleid haben für einen, der kein Mitleid kennt?" Auch das Kind in der Suppenküche und der Obdachlose am Müllcontainer ("Warum hinsehen, wenn man auch wegsehen kann?") lassen den Betrachter nicht kalt. "Diese Kampagne ist sehr emotional und wird große Aufmerksamkeit erregen", sagt Burkhard Päschke, der vom Erfolg der über mehrere Jahre geplanten Aktion überzeugt ist. "Denn unser Herz erobern die, die mit Idealismus vorangehen." "Aus Liebe zum Menschen" ist die Haltung, die das Handeln aller Rotkreuzler bestimmt. Doch spüren das auch die Menschen, für die das Rote Kreuz da ist? Um das herauszufinden, ruft das DRK alle auf, ihre Geschichte aufzuschreiben, in der sie erzählen, was sie mit dem Roten Kreuz hautnah erlebt haben.
Weitere Infos unter www.ruegen.drk.de, Tel.: 0 38 38/80 23 0.