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11.12.2010, OstseeZeitung
Worte überholen einander wie Schwalben auf der Jagd
Marcus aus Altenkirchen ist hyperaktiv. Mit Geld aus dem DRK-Hilfsfonds konnte sich der
Junge in der Schule verbessern – und einen schönen Ausflug mit Bruder Malte machen.
Spendenkonto
Sparkasse Rügen
Kontonummer: 300 300 10
Bankleitzahl: 130 510 42
Stichwort: "Helfen bringt Freude"
Alle Spenden der OZ-Leser fließen in den DRK-Hilfsfonds für sozial schwache Kinder und JugendlicheAltenkirchen - Auto fängt mit „Au“ an und hört mit „O“ auf. Das weiß Ines Wiek aus Altenkirchen nur zu gut. Ein defekter Motor hat ihren Fiat hart getroffen – und ihr Konto. „Die 1000 Euro haben weh getan“, gesteht die arbeitssuchende Frau, die zurzeit auf Ein-Euro-Basis am Kap Arkona beschäftigt ist. Die wundervollen Erntekronen zum Herbstfest am Kapstammten aus ihren Händen. Ihre Hände halten und führen jetzt den Schneeschieber. Ines Wiek ist seit zwei Jahren auf Leistungen der ARGE angewiesen, seit der Trennung von ihrem Mann. Natürlich habe sie Träume, doch die müssen noch zurückstehen. Ihre Kinder sind ihr wichtiger: Malte (8) und Marcus, der heute 12 Jahre alt wird. Der Große ist ihr kleines Sorgenkind. Vor zwei Jahren kam er aus der aufgelösten Diagnose-Förderklasse aus Sassnitz an die Regionale Schule nach Altenkirchen. Marcus hat eine Lese-Rechtschreibschwäche.
Und ADHS (Aufmerksamkeitsdefizit und Hyperaktivitätsstörung). Die Sätze wollen aus ihm heraussprudeln. Die Worte überholen einander wie Schwalben auf der Jagd nach Insekten. Marcus ist aufgeregt und freut sich zugleich, denn er weiß, dass die Aktion „Helfen bringt Freude“ ihm und seinem Bruder eines der schönsten Erlebnisse der letzten Monate beschert hat: die Fahrt zur Pirateninsel. Das Abenteuerland ist der größte überdachte Kinderspielplatz Rügens, liegt zwischen Putbus und Lauterbach und lockt Kinder aus nah und fern.
Die Betreiber hatten den Schülern aus Altenkirchen freien Eintritt gewährt. „Doch die Fahrkosten von je sieben Euro konnte ich nach der großen Autoreparatur nicht aufbringen“, bedauert Ines Wiek. Innerhalb kürzester Zeit sei das Geld aber aus dem Hilfsfonds bewilligt worden. „Manuela Schall, die Erziehungsberaterin aus Bergen, hat uns dabei sehr geholfen.“ Marcus unterbricht seine Mutter, erzählt, dass er in Mathe nicht mehr auf „Vier“ sondern fast auf „Zwei“ steht. Und dass der Hilfsfonds seine Deutsch-Nachhilfe bezahlt. „Vielleicht auch bald die Englisch-Förderung, aber das wird noch getestet.“ Sein Redeschwall stoppt plötzlich. Das Heck seines Modellfugzeuges ist beim Erzählen abgeknickt.
Mit fahrigen Händen versucht der kleine Mann, die Plastebausteine wieder zu verbinden. Das Flugzeug landet unsanft auf dem Sofa, neben dem die schwarze Mischlingshündin Susi vor sich hin döst. „Ich möchte, dass aus meinen Kindern etwas wird“, sagt Ines Wiek. Sie weiß, dass Malte es leichter hat. Und dass Marcus „auf der Strecke bleibt“, wenn man ihm nicht hilft. „Ich freue mich, dass es den DRK-Hilfsfonds gibt, der betroffene Familien gezielt unterstützt. Ein großes Dankeschön an alle Spender – von ganzem Herzen.“
Marcus gibt wieder Gas: „Ich möchte Busfahrer werden“, verrät er. „Und ich Tierpfleger“, so der eher ruhige Malte. Manchmal lässt er sich aber doch von „Bruder Wirbelwind“ mitreißen. Das macht es Ines Wiek auch so schwer, einen Job zu finden. Sie hat zwei Berufe gelernt, Gärtnerin im Obstbau und Floristin. In diesen Branchen auf Wittow eine Arbeit zu bekommen, sei nicht einfach. Auch wüsste sie nicht, wohin mit den Kindern, wenn sie am Abend oder an den Wochenenden putzen gehen würde. Zwei Angebote musste sie deshalb dieses Jahr schon ablehnen. Eine Zwickmühle, aus der sie vielleicht erst herauskommt, wenn die Kinder größer sind. So lange wird sie weiter Monat für Monat rechnen und jeden Euro mindestens zwei Mal umdrehen müssen – nicht nur vor Geburtstagen und nach Weihnachten.
Holger Vonberg

„Helfen bringt Freude“: Der DRK-Hilfsfonds unterstützt auch Ines Wiek aus Altenkirchen und ihre Kinder Marcus (r.) und Malte.
Foto: Holger Vonberg