Archiv 2010 << zurück
24.12.2010, OstseeZeitung
"Wir feiern heute wie eine Familie"
Das Weihnachtsfest im Pflegeheim Binz soll ein heimeliges werden. Bewohner bekommen zur Bescherung ein persönliches Geschenk von den Mitarbeitern.
Binz (OZ)- Vorsichtig zupft Margarethe Friedrichs an einem zarten Baststern. Der schaukelt an grünen Zweigen neben den elektrischen Kerzen und roten Kugeln. "Jetzt hängt der Stern richtig." Margarethe Friedrichs ist noch gut zu Fuß, meidet aber aus anderen Gründen den Fahrstuhl. "Ich muss noch auf die Insel der Schönheit." Ihre Augen leuchten geheimnisvoll. Mehr verrät sie nicht. Im Begegnungsraum mit den schilfgedeckten Häusern und Blumen an den Wänden wirft die Physiotherapeutin einen Ball zu Margarethes Mitbewohnern, fragt nach Farben, die mit "G" beginnen "Grün, ist doch klar", sagt Frau Friedrichs.
Etwas später wirft ein Mann den Ball zurück zur Therapeutin. Er zuckt mit den Schultern.
Madlen Eisenmenger wird gerufen. Die allein erziehende Mutter und gelernte Bürokauffrau ist jetzt Altenpflegehelferin im Binzer DRK-Heim. "Erst wollte ich nur ehrenamtlich arbeiten. Jetzt bin ich seit mehr als sieben Wochen hier. Die Arbeit mit den alten Menschen macht mir Spaß. Nun möchte ich Altenpflegerin werden."

Vertraut: Monika Höhne und Madlen Eisenmenger (r.)
Mit einem Lächeln betritt die 30-Jährige das Zimmer von Monika Höhne. "Ihr Herz schlägt an der richtigen Stelle", sagt die Bewohnerin, die ab und zu etwas mehr Hilfe benötigt. Seit vielen Jahren lebt sie im Heim. Madlen nimmt Monika Höhnes Hände. Beide lächeln.
Wärme und Nähe, das ist es, was die Bewohner an den Feiertagen noch mehr brauchen als an normalen Tagen, weiß Pflegedienstleiterin Madeleine Zaage. Sie hat wie ihre Mitarbeiterinnen in den Wohnbereichen oder wie die Frauen und Männer in der Küche heute mehr als "nur" ihren Dienst. "Die Adventszeit ist ganz besonders hier im Heim. Wir hatten einen Weihnachtsbasar, in dem selbst gebastelte Geschenke präsentiert und verkauft wurden. Wir haben auch mit den Angehörigen gefeiert, die ihre Mütter und Väter zum Fest nicht nach Hause holen können."
Lothar Simon sitzt im Rollstuhl und hat als Vorsitzender des Heimbeirates erkundet, was seine Mitbewohner auf dem Speiseplan zu Weihnachten sehen wollen. Er ist wendig wie sein Elektro-Rollstuhl, den er mit einer Hand steuern kann. Und muss. Und mit dem er durch die Etagen düst. Hier ein nettes Wort. Dort eine Frage. Oder eine klare Ansage. Würstchen mit Kartoffelsalat wird es heute traditionell geben. Herr Simon hat immer Verantwortung übernommen. Nun auch im Heim.
Am ersten Weihnachtsfeiertag gibt's Entenbrust mit Rotkohl und Klößen, Tannenbaum-Eis zum Nachtisch. "Am 26. Dezember gibt es gebratene Kaninchenkeule", verrät Küchenhelfer Mario Subklew. "Wir wollen allen Bewohnern ein heimeliges Weihnachten bescheren", sagt Heimleiterin Alison Cowell. Sie weiß, dass ein Heim nicht die Familie ersetzen kann. "Aber wir tun alles dafür. In den Wohnbereichen wird heute Bescherung gefeiert, gemeinsam Kaffee getrunken. Unsere Mitarbeiter haben für jeden Bewohner ein kleines, sehr persönliches Geschenk vorbereitet. Niemand ist allein."
Das DRK-Pflegeheim in Binz gehört zu den modernsten Einrichtungen in Mecklenburg-Vorpommern, beherbergt knapp 100 alte und pflegebedürftige Menschen. Das Heim ist behindertengerecht eingerichtet und liegt wenige Schritte von der Strandpromenade entfernt. Gern sitzt Margarethe Friedrichs im Durchgang zum Speisesaal. Von dort aus kann sie die Ostsee sehen. Aber jetzt interessiert sie der Ausblick nicht. "Ich will auf die Insel der Schönheit", wiederholt sie energisch. Die 83-Jährige geht zielstrebig auf den Raucherraum zu. "Ohne Dampf keine Leistung. Frohe Weihnachten, mein Junge!"

Margarethe Friedrichs bringt den Baststern am Weihnachtsbaum in die richtige Position.
Fotos: Holger Vonberg