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02.03.2013, OstseeZeitung
Mit dem Roten Kreuz den Cousin und eigene Wurzeln gefunden

Eine Rüganerin konnte mit Hilfe des DRK-Suchdienstes fehlende Puzzleteile des Lebens ihrer Vorfahren aufspüren und schließlich zusammenfügen.

Von Holger Vonberg

Annegret Jügler und ihre kleine Schatzkiste mit Fotos. Auf dem kleinen Foto rechts: ihr Cousin Wilfried Mai
Annegret Jügler und ihre kleine Schatzkiste mit Fotos. Auf dem kleinen Foto rechts: ihr Cousin Wilfried Mai. Foto: Holger Vonberg
Bergen/Sagard – Annegret Jügler (64) umfängt mit ihren Händen eine kleine Plastekiste wie einen Schatz. Ihre Augen leuchten. In dieser Kiste sind Schwarzweiß-Fotos aus vergangenen Jahrzehnten, aus ihrer Kindheit und Jugend. Und auch aktuellere Bilder – in Farbe. "Das ist Wilfried Mai, mein Cousin", sagt sie und ihre Augen füllen sich mit Tränen.Den Sohn des älteren Bruder ihres Vaters hat sie über den Suchdienst des Deutschen Roten Kreuzes gefunden. Darüber ist sie sehr glücklich. Lange habe sie überlegt, darüber zu erzählen. Jetzt, nach einem Beitrag in der Zeitung, möchte sie zeigen, wie dankbar sie den Organisation ist.

"Meine Familie hatte Wurzeln in Posen, im Wartheland", sagt die in Lietzow geborene Annegret. 1947 kam ihr Vater Erwin aus Kriegsgefangenschaft zurück. Doch er war sehr verschlossen, erzählte kaum etwas aus seinem Leben, vom Krieg, von der Gefangenschaft und der Familie, deren Wege und persönliche Verbindungen sich durch Flucht und Vertreibung in den Nachkriegswirren verloren. Annegret hatte noch so viele Fragen, als ihr Vater 1990 starb. Wo sind noch Angehörige? Was ist aus seinen Brüdern, Arthur und Herbert, geworden? Leben sie noch? Und wenn ja – wo?

Antworten fand sie erst viel später. Wilfried, ihr Mann, bestärkte sie, den DRK-Suchdienst um Hilfe zu bitten. "Ich wusste ja nicht viel", sagt sie. "Weder über meinen Vater, noch über seine Familie. Dass er Gefreiter bei den Baupionieren war – das ja, aber in welchem Truppenteil? Sie kannte weder seine Feldpostnummer noch den Ort seiner Gefangenschaft."

Unter dem Aktenzeichen 2000176714 startete die Suche. Und es wurden Spuren gefunden in deutschen und russischen Archiven. Denn der DRK-Suchdienst kümmert sich seit über 65 Jahren neben der Aufklärung von Schicksalen der Vermissten des Zweiten Weltkrieges auch um andere Nachfragen. Der Suchdienst berät und unterstützt die Deutschen in den Nachfolgestaaten der ehemaligen Sowjetunion, die mit ihren Angehörigen als Spätaussiedler in die Bundesrepublik kommen wollen oder hilft Flüchtlingen und Migranten in humanitären Notlagen bei der Familienzusammenführung. Und diese Hilfe ist kostenlos. Für Annegret Jügler war sie von unschätzbarem Wert.

"Am 10. September 2011 habe ich meinen Cousin in Plau am See zum ersten Mal getroffen. Schon vorher, als ich die Post vom DRK-Suchdienst aus München bekam, war ich sehr aufgeregt, habe gezittert und vor Freude geheult. Und als wir uns per Telefon zum ersten Mal sprachen, spürte ich sofort die enge persönliche Bindung."

In Plau hat sie mit Wilfried Mai einen wunderbaren Tag verbracht, wie sie sagt. Jetzt weiß sie endlich mehr über das Schicksal ihrer Verwandten. Ein Bruder des Vaters lebte gar nicht so weit weg, in Schwerin, und ist 1986 gestorben. Der ältere Bruder ist nach Celle gegangen, wo er 1992 verstarb. "Schade, dass wir das erst viel später erfuhren. Zu spät für meinen Vater."

Aber nicht zu spät für Annegret Jügler. Sie konnte jetzt die noch fehlenden Puzzleteile aus dem Leben ihrer Vorfahren väterlicherseits zusammenfügen und hat einen nahen Angehörigen gefunden.

Suche seit 1945

Der Suchdienst des Deutschen Roten Kreuzes hilft Menschen bei der weltweiten Suche nach Angehörigen und berät in allen Fragen der Familienzusammenführung. Diese Aufgaben nimmt der DRK-Suchdienst seit 1945 im Deutschen Roten Kreuz wahr. Die Folgen des Zweiten Weltkriegs, des Eisernen Vorhangs und der Teilung Deutschlands beschäftigen den DRK-Suchdienst seit Jahrzehnten. Noch immer ist der Verbleib von 1,3 Millionen Menschen unbekannt.