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28.11.2015, OstseeZeitung
"Und dann ging's nur noch bergab"

36 Frauen und Männer leben derzeit in der Obdachlosenunterkunft des DRK. Für einige ist es ein Zuhause auf Zeit, ein Ersatz für die fehlende Familie. Gerade zur Adventszeit.

Von Miriam Weber

Bild: Miriam Weber

Rudi (61) lebt mit 35 anderen Menschen in der Obdachlosenunterkunft des DRK. Foto: Miriam Weber

Stralsund. Die Scheidung war der Wendepunkt.Von da an ging es für Rudi bergab. Alkohol, Mietschulden, der Verlust der Wohnung. Derzeit lebt der 61-Jährige in der Obdachlosenunterkunft des Deutschen Roten Kreuzes (DRK).

Er sitzt in seinem Zimmer, das er sich mit einem anderen Mann teilt. "Klar gibt's mal Meinungsverschiedenheiten, aber eigentlich verstehen wir uns." Der Fernseher läuft, an den Fenstern sind Bilder aus Kunstschnee, auf dem Tisch stehen eine Kerze und ein paar Plätzchen. "Da kann man es sich auch mal gemütlich machen", sagt Rudi. "Eigentlich fühle ich mich hier wohl, weil ich sozusagen unter Kontrolle bin." Unter Kontrolle bedeutet in Rudis Fall, dass er keinen harten Alkohol konsumiert, denn der ist in der Einrichtung tabu. Was für den Stralsunder jedoch noch wichtiger ist: "Ich habe hier immer einen Ansprechpartner, wenn's mir mal nicht so gut geht."

Sechs Mitarbeiter kümmern sich um die 36 Nutzer der Obdachlosenunterkunft (Oluk), zu denen auch vier Frauen gehören. "Es ist ein bisschen so wie in einer großen Familie", sagt die stellvertretende Leiterin, Christine Schleusner. "Sowohl bei den Mitarbeitern als auch den Menschen, die hier leben, gibt es viele unterschiedliche Charaktere. So wird es zum einen nie langweilig, zum anderen kann aber auch viel abgefangen werden."

Unterschiedlich sind auch die Gründe, die die Menschen in die Oluk führen. "Ich würde schätzen, dass es bei 60 Prozent widrige Lebensumstände sind", sagt Christine Schleuser. Mietschulden gehören definitiv dazu. "Wir haben uns anfangs gefragt, wie es sein kann, dass manche Leute so hohe Mietschulden haben", sagt Burkhard Päschke vom DRK. "Doch diese Summen sind oftmals ein Paket aus tatsächlichen Mietschulden, den Kosten für eine Räumung der Wohnung und der anschließenden Renovierung", erklärt er.

Der Bedarf an den Plätzen in der Oluk insgesamt ist gestiegen. "Deshalb werden wir ab Januar 38 Plätze anbieten", sagt Burkhard Päschke. Ein Blick auf die Altersspanne der Nutzer der Oluk zeigt, dass Altersarmut durchaus eine Rolle spielt. Zwischen 20 und 75 Jahren sind die Menschen alt, die in der Mühlgrabenstraße eine Bleibe auf Zeit finden. "Wir sind jedoch nicht nur einfach eine Auffangstation", betont Christine Schleusner. "Wir arbeiten zusammen mit der Stadt und anderen Institutionen und suchen für und mit unseren Nutzern nicht nur nach Wohnungen, sondern auch nach Möglichkeiten der Wiedereingliederung und kümmern uns um die Gesundheitssorge."

Erste Schritte in diese Richtung sind Alltagsstrukturen, die die Menschen erst wieder lernen müssen. Auch für Rudi ist dieses Alltagskorsett wichtig. "Morgens frühstücken wir gemeinsam, und dann wird das Zimmer sauber gemacht", sagt der einstige Glaser. Hobbys hat Rudi nicht viele, aber er spielt sehr gern Schach, auch gegen sich selbst. Jetzt zur Weihnachtszeit wird jedoch einmal mehr deutlich, dass einiges in Rudis Leben schief lief. Zwar habe er fünf Kinder, doch zu denen bestehe kein Kontakt mehr. "Leider", sagt er leise und senkt den Kopf. An der Weihnachtsfeier, die es am 18. Dezember in der Oluk geben wird, nimmt er nicht teil. "Ich mag das nicht, wenn so viele Leute so dicht zusammen sind, da zieh ich mich lieber auf mein Zimmer zurück." Zur Weihnachtsfeier wird es diesmal ein kaltes Buffet und für jeden Oluk-Nutzer ein kleines Geschenk geben, verrät Christine Schleusner. "Es geht vor allem darum, dass man mal wieder in gemütlicher Runde zusammenkommt."


Menschen ohne Obdach

Die Obdachlosenunterkunft des DRK befindet sich in der Mühlgrabenstraße 10.

36 Menschen leben derzeit dort, ab Januar 2016 stehen 38 Plätze zur Verfügung.

Spenden werden gern angenommen. Im Moment werden Schlafsäcke, Wurfzelte, robuste Hausschuhe und abgepackte Lebensmittel benötigt.

Infos unter 03831 / 70 36 90.